Unantastbar - Werkschau Wintersemester 2019/2020

Unantastbar - Werkschau Wintersemester 2019/2020

In unserem ersten Mastersemester im Studiengang "Creative Direction" an der Hochschule Pforzheim, gab man uns die Aufgabe einen Raum zum Thema "Würde" zu gestalten. 
Zu Beginn des Semesters setzten wir uns daher, unter Anleitung von Prof. Dr. Silke Helmerdig und Prof. Matthias Kohlmann, mit dem Thema der Würde auseinander. Im Nachgang war dieser Schritt einer der wichtigsten. 

Die Grundlage, die wir während dieser Vorlesungen erarbeitet haben, halfen uns besonders in der Konzept- und auch der Umsetzungphase weiter. In der Theorie beschäftigten wir uns also mit Texten großer Philosophen, Künstler und Experten. Darunter Foucault, Karl Kraus und Hannah Arendt. Um auch einen Einblick in andere Arbeiten zum Thema zu erhalten, besuchten wir die Kunsthalle Mannheim, in welcher wir die Ausstellung
„The refusal of time“ William Kentridge’s gesehen haben. Zudem lehrte uns Barbara Lorenz, Anwältin, einiges über den Artikel 1 im Grundgesetz. Hierbei war es sehr interessant, wie das Gesetz in unterschiedlichen Gerichtsfällen entscheidet und das Thema der Würde einfach keines ist, welches verallgemeinert werden kann.
Mit diesen Inhalten bewegten wir uns in Richtung der Konzeptphase.

Wir arbeiteten uns von individuellen Konzepten zu einem Gesamtkonzept heran und entschieden uns für „Würde & Daten“.
Das heißt, unser Hauptaugenmerk lag dann auf der Veranschaulichung der eigenen Würde in Abhängigkeit der eigenen Daten und deren Sensibilität. 
Wir teilten uns in vier Expertengruppen auf für: Daten, Finanzen, Details, Bar, Ausstellung. In wöchentlichen Intervallen setzten wir uns zusammen und besprachen Zwischenergebnisse. Während dieser Diskussionen entstand manchmal ein mehr und manchmal ein wenig klarer Weg, der uns zum Ziel führt. Doch diese Unsicherheiten haben sich bei der nächsten Phase zu eindeutigen Entscheidungen geformt.

Das finale Konzept beinhaltete folgende Schritte - unser Walk-Through: 
Im Idealfall fand eine*r unserer Besucher*innen eine kleine Karte (in Form einer Visitenkarte), welche im gesamten Haus verteilt waren. Die Aufschrift „Freigetränk“ mit Ortsangabe sollte die Person zu uns führen. Ein Detail: über dem Eingang wurde man durch eine große Aufschrift aufmerksam gemacht, dass man nun die „UnantastBar“ betritt.
Im Raum eingetreten, fand sich die Person mit einer Bar konfrontiert. Mit dem Gedanken, dass sie ein Freigetränk hier erhalten kann, sprach sie unser Barteam an. Nun klärten wir auf: (1) Wasser gibt es umsonst, denn der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein Menschenrecht. 
(2) ein alkoholfreies Getränk kann gegen Daten umsonst ausgeschenkt werden oder
(3) man bezahlt mit Geld und erhält sein Getränk nach Wahl.

Hierbei sollte auch erwähnt werden, dass die „Master of Creative Direction Bar“ eine Tradition ist und wir diese so gestalteten, damit sie mit unserem Konzept der Würde und Daten einhergeht. Gehen wir nun davon aus, dass die Person ihre Daten gegen ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk an der Bar abgegeben hat, hat sie mit dieser Aktion, was unsere Raumgestaltung angeht, ihre Würde damit an uns abgegeben. Das Getränk erhalten, betritt man durch einen Vorhang unseren Ausstellungsraum.

Dort angekommen, begrüßte einen ein Raum voll Spannung und Aufregung. Zuerst zu betrachten gab es unsere 18 Podeste, welche jeweils ein individuell gestaltetes Biotop aufgesetzt hatten. Jeder Studierende gestaltete sein eigenes Biotop nach seinen Vorstellungen der Würde. Von diesen ganz individuellen Ideen und Auffassungen ging es hin ans Ende des Raums, wo an eine Wand mit Großformatplakaten bestückt wurde. Diese Plakate erzählten von Personen, mal mehr oder weniger bekannt, die ihre ganz eigenen Erfahrungen mit der Würde gemacht haben. In der Mitte strahlte die Projektion des Beamers, auf welcher die eingegeben Profile der Personen abgebildet waren. Das heißt, Personen, die ihre Daten für ein Freigetränk an der Bar abgegeben haben, konnten nun ihr Foto und weitere Angaben über ihre Person im Großformat an der Wand erkennen. Dieser Schock-Effekt sollte zum einen zeigen, dass die Eingabe von sensiblen Daten immer und mindestens einen negativen Nebeneffekt haben, auch wenn dieser vorerst nicht zu erkennen ist und zum anderen, dass das eigene Profil direkt mit den Plakaten in Verbund steht. Damit kann sich die Person neben Personen sehen, welchen die Würde von anderen genommen wurde.
Wir beschäftigten uns für ein Semester intensiv mit dem Thema "Würde". 
Es entstanden 19 höchst individuelle Ergebnisse, die zusammen die Vielfalt der Würde aufzeigten.
Doch wie sah die UnanstastBar letztendlich in Kombination mit der Ausstellung über “Würde” aus?
Es folgen ein paar Impressionen:
- Radiale Körpergrenzen
Die Wahrnehmung des persönlichen Raumes unseres Körpers ist ein uralter Überlebensinstinkt. Die Größe des Radius, verkörpert ein bestimmtes Beziehungsverhältnis. Unsichtbar schützt dieser Raum den äußersten Bereich der eigenen Würde. -
Bernadette Tshiang Tshiananga
- Die Würde ist allgegenwärtig. Sie ist vielfältig in ihrer Erscheinung. Sie schützt den Menschen. Doch sie kann nur den Menschen schützen, wenn auch auch der Mensch die Würde schützt. Es genügt hierbei nicht über sie zu sprechen. Wir müssen die gemäß des kategorischen Imperativs vorleben. Auf diese Weise entwickelt sie Strahlkraft und damit ihre Fähigkeit uns zu schützen und fort zu bestehen. - Oliver Haller 
- Die Würde hält uns alle zusammen und wird täglich durch jeden einzelnen definiert. Wandelbar, anpassungsfähig und ungreifbar. Unter zu großer Spannung zerbricht sie. - Laura Göttl
- Wir sagen, sie sind uns gegeben. Und mit uns, meinen wir damit jeden? Der Schein trügt, denn so wie wir sie geben, so nehmen wir sie. Steht es uns überhaupt zu, über sie zu entscheiden? - Laura Hinz
- Nicht alles ist, wie es scheint. - Leonard Steigle
- 80% des im Supermarkt angebotenen Fleisches kommt aus Massentierhaltung. In dieser ist es nur wirtschaftlich, wenn die Tiere auf den Mindestanforderungen gehalten wird.
Alles nur für einem billigen, schnellen Genuss des Menschen. Ist dies wirklich würdevoll? - Talitha Hölscher
- Das heilige Geld
Ein Staat der auf christlichen Werten würdevoll aufgebaut wurde, transformiert sich nun in ein Land, welches von kapitalistischen Normen dominiert wird. Kann der Mensch auch existieren wenn er sich nicht dem Geld unterordnet oder ist das Papier viel mehr Wert in unseren gesellschaftlichen Strukturen? Was würdest du tun wenn es kein Geld gäbe? Bist du bereit für Geld alles zu tun oder gibt es Grenzen deiner Würde? - Karl Erik Fritsch
- Sei nicht gleichgültig
„Sie fragten uns wie heißt ihr und ich zeigte ganz automatisch meinen Arm, weil man in Auschwitz keinen Namen hatte.“ (Miriam Ziegler)
37% der Deutschen finden: Genug erinnert! Wie komfortabel, wenn man sich aussuchen kann wann Schluss ist. Opfer haben diese Wahl nicht. „Das morgen kam, aber die Erinnerung blieb.“
(Batsheva Dagan)
Wir erinnern dieses Jahr an 75 Jahre Befreiung der Menschen des KZ Auschwitz- Birkenau.
NIE WIEDER, zwei Worte die nichts kosten. Was heißt nie wieder? Nie wieder werden wir zulassen, das Gemeinheit triumphiert und andere ausgegrenzt werden? Das passiert längst. Meschen werden ausgegrenzt oder bedroht, weil sie anders aussehen, glauben oder denken. Marian Turski ein Holocaust Überlebender erinnert uns daran: „Ausschwitz ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Es kam langsam angetrippelt, in kleinen Schritten. Es näherte sich, bis passierte was hier geschah. Hunger, Kälte, kannst du alles überstehen… Aber das Schlimmste waren die Demütigungen. Menschen werden klein gemacht, geschlagen und entwürdigt. “
Die Vergangenhiet zeigt uns, was es bedeutet schutzlos zu sein. Der Schutz der Mescnhenwürde muss die Verpflichtung einer deutschen Politik sein, wenn die Worte NIE WIEDER ernst gemeint sein sollen. Das betrifft die Politik ebenso, wie dich und mich. Der Antisemitismus flammt wieder auf, bestimmte Parteien stellen sich gegen Minderheiten. Wir sind alle Menschen, egal wo wir herkommen und wir sind alle gleich. Gedenken sind zeichen, denen aber auch Taten folgen müssen. Wenn wir NIE WIEDER ernst meinen, müssen wir diese Solidarität leben. Diese Gedanken durchleben wir an Tagen der Erinnerung. Eigentlich müssen sie aber an jedem Tag des Jahres gelten.
Wir dürfen nicht gleichgültig sein!
In diesen Tagen empfinde ich Bedrückung, Beklemmung, Mitgefühl und unendliche Dankbarkeit, dass ich in einem Land lebe in der die Würde des Menschen an höchster Stelle in unserem Grundgesetzt steht. Oder?
Sei nicht gleichgültig, schweige nicht, wenn andere leiden. Denn das Schweigen ist der Diener der Gewalt! (Marian Turski) -
Lisa Wirth
- Würde zu leben, bedeutet nach dem Wohlergehen seiner Mitmenschen zu streben - Jan Marx
- In der heutigen Zeit, in der die Würde des Menschen in Deutschland unantastbar scheint, vergessen wir oft, wie privilegiert wir sind, nehmen es für selbstverständlich. Wir übersehen, dass Unternehmen wie Facebook, Google, Apple und Parteien wie die AFD uns dieses Privileg nehmen können. Wie kleine Nadeln durchbohren sie die äußeren Schichten unserer Gesetze und lassen sie instabiler werden. - Yvonne Deck
- Behandel einen Stein wie einen Blume, eine Blume wie ein Tier, ein Tier wie einen Menschen und einen Menschen wie Dich selbst. - Julia Englert
- Die Würde ist eine Art des Ausdrucks der Schönheit, die von innen einen Glanz der Seele wiederspiegelt. Zudem ist sie die Wahrnehmung für uns selbst, die unsere Bedürfnisse, für unsere Wünsche, für unseren Körper, unsere Grenzen und unser Potential. Die ich im Laufe des Lebens in Bewegung weiter entfalten. - Carolin Adamski
- Die Würde eine einheitliche Form geben? Nicht möglich. 
Zu unsichtbar scheint sie.
Aber zeigen, dass uns Würde Kraft und Stärke gibt, erinnern dass sie immer wieder auf's Neue wichtig ist, dass sie von unglaublichem Wert für uns persönlich und als Gesellschaft ist, das geht in unzähligen Weisen. Dass Würde verletzlich ist, dass sie einreißbar ist, erfahren wir täglich. Dennoch bleibt sie und glänzt, denn sie ist es, die uns allein einen besondere Wert erteilt, uns besonders und einzigartig sein lässt. - Nora Raab
- Jasmin Revolution 
En agissant ensemble,
tout devient possible.
Durch gemeinsames Handeln wird alles möglich. -
Emna Ben Farhat
- Sei dein eigener Kapitän
Würde bedeutet für mich, die Person zu sein, die ich sein möchte. Die Würde jedes einzelnen Menschen befähigt zur Selbstbestimmung und gibt mir die Freiheit so zu leben, wie es sich richtig anfühlt. Das Wasser symbolisiert die unendliche Freiheit. Durch das Boot und seine Paddel können wir uns in dieser frei bewegen. Verlieren wir die Paddel, ein Teil unserer Würde, sind wir wie gefangen und ohne Selbstbestimmung. Nimmt uns jemand zusätzlich das Boot und somit unsere gesamte Würde, gehen wir unter und ertrinken - Nadine Hoppe
- Warum denn keine Samthandschuhe?
Würde kann täglich im Umgang mit uns selbst und in der Kommunikation mit anderen gelebt werden. Lasst uns bewusst voller wertschätzender und respektvoller Worte sein, denn genau das lieben wir doch auch zu hören. - Michelle Morsume
- Würde ist für mich dann gegeben, wenn ich meine Freiheit darin bewahren darf, wie ich mich entfalten möchte. Ich bin ich, ein Individuum mit freien Entscheidungen. Es soll niemand anders mich zwingen können, etwas zu tun, was ich nicht möchte. - Anika Öhl
- Der Begriff der Würde ist immer in Bewegung, er lässt sich nicht so einfach fassen, definieren oder festhalten. Ein Wort, das Spannung, das Reibung erzeugt. Für mich, für dich und für jeden anderen. Und deshalb jeder muss für sich selbst festlegen, was er mit diesem Wort verbindet und wie er damit umgeht. Doch eines sollte für uns alle klar sein: Es ist vor allem ein Wort, das es zu verteidigen gilt. - Stefan vom Bruck
Unantastbar - Werkschau Wintersemester 2019/2020
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In unserem ersten Mastersemester gestalteten wir einen Raum unter dem Oberthema "Würde". Als Unterthema wählten wir "Umgang mit Daten". Außerdem Read More

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